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Der affe in uns

Autor(en): Frans de Waal
Verlag: Riverhead Books
Preis: 21.96
ISBN: 1-57322-312-3
Erschienen: 2005

Autor: avb, Datum: 02.05.2006


"The Inner Ape - A Leading Primatologist Explains Why We Are Who We Are" von dem weltberühmtem Affenforscher Frans de Waal ist 2005 in den USA erschienen (und mir leider erst jetzt aufgefallen). Glücklicherweise bringt es der Hanser-Verlag im August 2006 auf deutsch heraus. Unter dem Titel "Der Affe in uns". Ich stelle Ihnen trotzdem schon mal die englische Ausgabe vor, weil ich das Buch als Sensation empfinde - für  alle mit auch nur dem gerinsten Interesse an Evolution, Management,  Psychologie, Firmenhierarchie, Soziologie,  glücklichen Ehen, Kindererziehung oder Politik, denn:

Frans de Waal vergleicht zwei  Menschenaffenfamilien - die kriegerischen-aggressiven-mörderischen Schimpansen und die sexbesssenes, friedlichen Bonobs. Beide gehören zu unseren direkten tierischen Vorfahren, mit beiden haben wir rund 98 % unserer Gene gemein. Von beiden lernten wir unser Verhalten als der dritte Menschenaffen-Stamm. Und Frans de Waal belegt.

Wir lernten nicht nur die Jagd und Kriege zu führen, durch enge Kooperation unter den Männchen.  Von den Bonobas haben wir auch unseren Sinn für Gerechtigkeit und Fairness, unsere Empathie für andere, die Fähigkeit, sich nach einem Streit wieder zu versöhnen und Mitleid mit Schwächeren.

Diese Eigenschaften haben auch die Schimpansen. Sichtbarer ist allerdings ihre aggressive Seite, denn ihre Horden werden von Männern beherrscht, die ständig um die Macht kämpfen müssen. Wie Topmanager. Außer sie bauen sich ein Netz an "Beziehungen", an Freundschaften auf. Vielleicht gehen deshalb so viele Biologen heute noch davon aus, dass Menschen - alles in allem - so grausam sind wie diese Menschenaffenart (schließlich wird in den Medien ja auch mehr über Firmenkräche, Gangmorde und Kriege berichtet als über all jene Unternehmen, Stadtviertel und Weltgegenden, in denen es friedlich zugeht).

Bonobos, zierlicher, menschenähnlicher als Schimpansen, haben sich in eine andere Richtung entwickelt. In ihren Horden gibt es viel seltener Streit, und ein Mord ist bei ihnen - im Gegensatz zu den Schimpansen - noch nie beobachtet worden. Sie jagen auch keine anderen Affen, vertragen sich mit Nachbarhorden statt sich mit ihnen zu prügeln (nicht nur Klauen und Zähnen, sondern auch mit schweren Steinen und Prügeln!), schließen sogar über die Reviergrenzen hinweg Freundschaften. Sie werden im Gegensatz zu Schimpansen erst seit wenigen Jahrzehnten beobachtet, aber sie widerlegen alles, was Menschen bisher über die eigene Aggressivität zu wissen glaubten. Bonobos zeigen:

Man kann auch friedlich zusammenleben, zumindest solange genügend Futter für alle da ist. Und, so sagt Frans de Waal, die Geschichte der Menschheit beweist, dass wir das die meiste Zeit auch getan haben und weiterhin tun werden. Nicht Krieg war unser Schicksal seit unsere Urahnen Afrika verließen, sondern Frieden. Nicht nur solange die Erde so dünn besiedelt war wie vor 10.000 Jahren, als wir die Landwirtschaft erfanden und selten auf andere Horden trafen, sondern heute noch. Die Mehrheit der 6 Milliarden modernen Menschen lebt ja tatsächlich einigermaßen friedlich miteinander.

Der Grund laut Frans de Waal: Wir haben beide Eigenschaften unserer Affenahnen - die Aggressivität, aber auch die Fähigkeit zur Versöhnung, zum Friedenstiften, zum Lieben. Bonobos benützen dazu Sex in jeder denkbaren Variante und überlassen die Herrschaft in erster Linie den Frauen. Schimpansen kraulen sich gegenseitig das Fell, auch wenn gerade ein harter Diktator an der Spitze steht (immer ein Männchen). Beides hilft, und beides machen wir den Affen nach, denn - um im öffentlichen Bereich zu bleiben - Händeschütteln nach einem Kampf, das gemeinsame Essen und Trinken nach einem Friedensschluss zwischen Völkern oder dem Zusamenschluss zweier Firmen ist nur eine Weiterentwicklung des Kraulens.

Das Schöne an Frans de Waals "innerem Affen": Das Buch liest sich wie ein Unterhaltungsroman, spannend, komisch, anrührend, fesselnd. Der Forscher beschreibt seine Affenbeobachtung und Forschungsergebnisse so locker, als ob er auf einer Party darüber spräche. Totzdem stellt er das ganze alte Weltbild vom grausamen Menschen auf den Kopf. Sehr tröstlich, und wie ich hoffe: sehr trendy!!!